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Früchte, simulierte

Früchte haben in der Öffentlichkeit ein gutes Image. Vor allem Eltern sind bestrebt, ihren Kindern die Vorzüge von frischem Obst nahezubringen. Die Nahrungskonzerne bemühen sich deshalb, die Nachfrage nach Früchten auf ihre Erzeugnisse umzulenken. Weil aber echte Früchte sehr sensibel und nur begrenzt haltbar sind, werden in der Welt der Nahrungsfabriken modifizierte Früchte bevorzugt. Deren gesundheitlicher Wert ist allerdings nur sehr eingeschränkt mit dem echten Obstes zu vergleichen.

 

Der Unilever-Konzern hat sich sogar simulierte Früchte patentieren lassen. Vor allem »weichere Früchte wie Erdbeeren oder Himbeeren«, sagte ein Forschungsleiter des Unilever-Konzerns, können bei maschineller Verarbeitung »leicht zermatschen«.

 

Sein Konzern hat deshalb ein Verfahren erfunden, mit dem laut Patentschrift »die Absicht verfolgt wird, natürliche Früchte vorzutäuschen«. Dazu wird »Fruchtmaterial«, etwa »Himbeerabfälle« oder ausgepresste Reste von Beeren, mit einem Gelee aus Algenextrakt, Geschmacks- und Farbstoffen zu einem bissfesten Etwas rekonstruiert. Diesen »simulierten Früchten« (Patentschrift) kann weder die Backhitze noch das »Eindosen« etwas anhaben. Allerdings: Der Unilever-Konzern versichert, das Patent niemals ausgenutzt zu haben.

 

Die Firma Ocean Spray, ein amerikanischer Zulieferer der Nahrungsindustrie, hat ein ganzes Sortiment von Designerfrüchten entwickelt. Ein Prospekt der Firma zeigt prall und glänzend eine Kirsche, eine Himbeere, eine Erdbeere, eine Heidelbeere. »Unsere Fruchtstückchen mit natürlichem Fruchtaroma schmecken so gut wie erwartet«, verkündet der Prospekt: »Sie sind nur etwas vielseitiger.« Denn: »Sie haben die Farbe der Früchte, das Aussehen der Früchte, und sie schmecken wie die richtigen Früchte. Aber sie sind viel stabiler und belastbarer als die richtigen Früchte.«

 

Das liegt daran, dass es sich um ganz andere Früchte handelt: ➝Cranberries, eine Art Preiselbeeren. Die sind robuster, und dass sie nicht schmecken wie Erdbeeren oder Kirschen macht gar nichts: Dank einem »patentierten Verfahren« werden die Preiselbeeren mit Hilfe von »natürlichen Fruchtaromen« sozusagen umgeschult, so dass sie später, etwa in Backwaren, als Erdbeeren, Kirschen, ja sogar als Pfirsich und Orange auftreten können: »Selbst Produkte, die bei der Herstellung rigorosen Verarbeitungsbedingungen ausgesetzt sind«, könnten Geschmack und Anmutung »von natürlichen Pfirsichen und Orangen behalten, damit den Verbrauchern das Wasser im Munde zusammenläuft«.

 

Öffentlichkeit und Lebensmittelkontrolle haben sich an solche Mutationen gewöhnt.

 

Vor einiger Zeit sorgten solche Praktiken noch für eine gewisse Empörung. So berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in den 1990er Jahren über simulierte Früchte aus der Heidelberger Firma Rudolf Wild, einem der größten Zulieferer der Nahrungsindustrie (heute: ADM Wild).  Damals, so belegten »interne Firmendokumente« (Spiegel), bestellte eine Molkerei. die die Wild-Erzeugnisse unter anderem in ihre »Landliebe«-Produkte rührt, eine Fruchtzubereitung, die 70 Prozent Aprikosen enthalten sollte.

 

Doch das, was »da am 14. September bei Wild zusammengemischt wurde«, enthielt, wie der Spiegel herausfand, »keine einzige Aprikose«, nur den billigeren Pfirsich, und dazu Aprikosenaroma.

 

Auch eine Mixtur für die Kinderlieblingsnahrung »Fruchtzwerge« von Danone, Geschmacksrichtung Erdbeere und Banane, enthielt keineswegs die vertraglich vereinbarten 40 Prozent Fruchtanteil, sondern nur die Hälfte. Da wurde sogar der Spiegel von Mitleid ergriffen:  »Arme Fruchtzwerge«.

 

Der Babynahrungskonzern Hipp hatte sogar einen sogenannten „Früchtetee“ für Kinder ab dem 6. Monat im Angebot, in dem so gut wie keine Früchte enthalten sind. Auf dem Etikett lockten Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Kirschen. Doch von diesen süßen Früchten existierten nur die Abbildungen, im Tee-Granulat wurden sie vertreten durch »➝Aroma«, zusammen mit einem Hauch Hagebutten- und Hibiskusextrakt.


 

Die zuständigen Behörden hielten das nicht für ➝Verbrauchertäuschung, weil auf dem Etikett durch die Bezeichnung "➝Aroma" auf die Simulation hingewiesen werde.

 

Die Verbraucher aber schon: Zehntausende stimmten bei der Organisation Foodwatch für den pfiffigen Babyverpfleger und verschafften ihm somit den ersten Platz bei dem Wettbewerb um den „Goldenen Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge.

 

Firmenchef Claus Hipp reagierte und nahm den simulierten Früchtetee vom Markt, allerdings ohne Anzeichen innerer Reue, beschwerte sich stattdessen über „üble Nachrede“.

 

Siehe auch ➝Imitate, Verbrauchertäuschung.